Sankhya Yoga und Karma Yoga in der Bhagavad Gita

Dies ist ein Buchreport, den ich im Februar 2021 im Rahmen der 200h Yogalehrerinnenausbildung 2018/19 im Yoga Individual Studio Aachen verfasst habe.

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Die Bhagavad Gita wird als eine der wichtigsten hinduistischen Schriften gesehen. Sie ist ein Teil des Mahabarata-Epos und ihr Entstehungszeitraum wird auf das 5. bis 2. Jahrhundert vor Christus geschätzt. Als Autor gilt der mythische Weise Vyasa. In Form eines Gedichts handelt die Bhagavad Gita von einem Dialog zwischen dem Krieger Arjuna und seinem Begleiter und Wagenlenker Krishna, der sich im Verlauf des Gesprächs als eine Verkörperung des Höchsten selbst, Brahmans offenbart.
In diesem Buchreport fokussiere ich mich auf den Aspekt des Karma Yoga, des Handelns im Bewusstseinszustand des Yoga, und stelle Bezüge zu meiner Tätigkeit als Yogalehrerin her.

Die Ausgangssituation ist kurz vor dem Beginn einer großen Schlacht zwischen den tugendhaften Pandus und den machtversessenen Kurus. Nachdem alle diplomatischen Mittel nicht gewirkt haben, ist der Krieg unvermeidbar. Als der zweitälteste Bruder der Pandus, Arjuna, in die Gesichter seiner Gegner sieht, unter denen ehemalige Freunde und Verwandte sind, verzweifelt er. Er wünscht er sich, nicht kämpfen zu müssen, da er diese Menschen nicht töten möchte.
In seiner Verzweiflung bittet er Krishna um Rat. Der sich aus dieser Situation entwickelnde Dialog beinhaltet praktische philosophische Unterweisungen.

Ein Aspekt dieser Unterweisungen ist Sankhya Yoga, dem Weg der Erkenntnis, welcher unterschieden wird von Karma Yoga, der Weg des Handelns. Diese beiden Wege können den Menschen zum Höchsten führen.

Sankhya Yoga – der Weg der Erkenntnis

„Was unwirklich ist, kann niemals sein, was wirklich ist, kann niemals enden“

Wirklich ist nur Atman, das innere Licht, das unsterbliche Selbst, das alles durchdringt, Bewusstsein, Belebt-sein. Unwirklich hingegen ist alles, was geboren wird und stirbt. Insofern werden das Leid und das Sterben auf dem Schlachtfeld nicht real sein, denn das einzig Wirkliche, reine Bewusstsein ist unsterblich. Der Weg der Erkenntnis bedeutet, das unsterbliche, alles durchdringende Göttliche zu erkennen und sich von den Einflüssen der begrenzten, sterblichen Welt zu lösen, sich nicht von ihnen dominieren zu lassen. Dafür ist es wichtig den Geist zu schulen und die Qualitäten von Sattva zu kultivieren: Gelassenheit, Ausgeglichenheit, Mitgefühl und Güte, Klarheit und Reinheit.

Karma Yoga – Der Weg des Handelns (drittes Kapitel)

Wenn die Welt, die wir wahrnehmen, also nicht real ist, warum sollen wir dann in ihr handeln? Auch Arjuna stellt Krishna diese Frage. Krishna weist auf die Notwendigkeit des Handelns hin: „Die Tatsache, dass wir einen physischen Körper besitzen, zwingt uns zu handeln.“ Sich aus dieser Welt zurückzuziehen, um Leid zu vermeiden ist also nicht möglich, weil die Grundbedürfnisse des Körpers gestillt werden müssen. Es geht also nicht darum, ob man handeln sollte, sondern wie.

Tu, was ansteht.“, sagt Krishna zu Arjuna. Dar Krieg ist notwendig und Arjunas Aufgabe ist es zu kämpfen. In der Bhagavad Gita wird betont, dass die Handlungen auf „das Gute in der Welt“ ausgerichtet sein sollen. Die tugendhaften Pandus verkörpern „das Gute“ im Gegensatz zu den machtgierigen Kurus. Der Kampf der Pandus gegen die Kurus ist also zum Guten in der Welt.

Die Ausrichtung der Handlung soll also auf „das Gute“ sein, allerdings ist es wichtig, nicht an den Ergebnissen der Handlung zu haften. So losgelöst von den Ergebnissen der Handlung können wir in dem Moment des Handelns ganz da, ganz bewusst sein und gelassen bleiben bei Erfolg sowie Misserfolg.

Einen weiteren Hinweis gibt Krishna: „Mache jede Handlung zu einer Gabe!“ Diese Gabe kann zum Beispiel an andere Menschen und Lebewesen, an den eigenen Körper, an Prana, die Lebensenergie oder das Ökosystem, in dem wir leben, gerichtet sein. Es ist also kein egozentriertes Handeln um sich selbst zu bereichern, sondern ökozentriert, zum Wohle aller Lebewesen.

Dieser Weg des Handelns sieht nicht für jede Person gleich aus. Krishna betont sehr deutlich: „Es ist besser, du lebst dein Dharma auf unvollkommene Weise, als dass du dem eines anderen auf unvollkommene Weise folgst, selbst wenn das den Tod bedeutet“.

Eine weitere konkrete Anweisung für die Auswahl von Handlungen findet sich am Ende des dritten Kapitels, wo Krishna die Hierarchie der Geisteselemente erklärt: Die erste Verbindung zur Außenwelt sind die die Sinne, den Sinne übergeordnet ist Manas (Wahrnehmen, Fühlen, gewohnheitsmäßiges, konditioniertes Denken), über Manas wiederum steht Buddhi (Intelligenz, Intuition, Weisheit) und Atman ist das Höchste selbst, reines Bewusstsein. Im weisen Handeln lenken die höheren Aspekte des Geistes die jeweils niedrigeren.

Die beiden Wege – Sankhya Yoga und Karma Yoga – schließen einander nicht aus. Selbst eine Yogini, die zurückgezogen lebt und sich nur der Meditation und dem Studium der Philosophie widmet, atmet und isst und ist somit zum Handeln gezwungen. Andersherum setzt weises, losgelöstes Handeln die Erkenntnis voraus, dass die Sinneseindrücke, Gefühle und Gedanken nicht wirklich sind. So ergänzen sich die beiden Wege.

Praxisbezug

Bezogen auf meine Rolle als Yogalehrerin bedeutet dies: Ich unterrichte Yoga mit voller Hingabe für das, was ich vermitteln möchte. Ich widme mich dieser Aufgabe mit Achtsamkeit und bin im Moment meiner Praxis und des Unterrichtens voll auf die Handlung selbst ausgerichtet. Ich hafte nicht an den Früchten meiner Tätigkeit, zum Beispiel Geld oder Ansehen oder dem Fortschritt meiner Schüler*innen. Diese Früchte darf ich genießen, da Geld und Ansehen in unserer Gesellschaft mich dabei unterstützt meinen physischen Körper zu nähren. Mein Fokus liegt jedoch nicht auf der Vermehrung dieser Früchte, sondern darauf so meine Aufgabe so gut zu erfüllen, wie ich kann. Ich unterrichte auf die Art und Weise, die mir, meinem Dharma entspricht, anstatt die Art eines anderen zu imitieren, auch wenn es schwieriger ist meinen eigenen Weg zu finden und dieser vielleicht unvollkommen ist. Mein Dharma beinhaltet, dass ich Lebendigkeit und Freiheit des körperlichen Ausdrucks und Empfindens in Menschen fördere. Für die Ausrichtung meiner Praxis möchte ich mich zu Beginn und Ende daran erinnern, dass sie zum Wohle aller Lebewesen ist.

Die Bhagavad Gita zu lesen ermutigt mich in einer Zeit, die viel von mir fordert, gelassen Schritt für Schritt das zu tun, was ansteht. Bei Tod oder der Trennung von geliebten Wesen daran erinnert zu sein, dass der Kern dieser Lebewesen nicht vergeht und gleichzeitig die Schönheit zu erkennen, die gerade durch die Vergänglichkeit des Lebens entsteht, bringt mir ein friedliches Gefühl. Die Geschichte des Kriegers Arjuna wird mich gewiss weiter begleiten.

Quellen

Die Bhagavad Gita – das Weisheitsbuch fürs 21. Jahrhundert – übertragen und kommentiert von Ralph Skuban

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