Die erste Berührung mit dem Wasser lässt meine Haut kribbeln. Sobald es warm über meinen Rücken läuft, fühlt mein Körper sich wieder lebendig an. Ich merke, wie der Schweiß und Schmutz von meiner Haut gewaschen wird und mit ihm die energetischen Reste von Begegnungen des Tages, die noch an mir hängen. Zum Schluss drehe ich noch einmal das Wasser auf kalt. Es ist jeden Mal eine kleine Überwindung, aber die über tausendmalige Erfahrung aus täglicher Praxis, dass die kalte Dusche mich erfrischen wird, führt dazu, dass ich mich jedes Mal nach der kalten Dusche sehne, obwohl der erste Moment unangenehm ist.
Neulich saß ich in einer dunkelroten Jurte am offenen Feuer. Der Rauch zog durch eine Luke im Dach ab, es war angenehm warm. Ums Feuer versammelte sich eine Gruppe von Menschen, um zu trauern. Wir waren eingeladen worden, unseren Weltschmerz zu fühlen, der in meiner Erfahrung eins ist mit meinem persönlichen Schmerz. Die Tränen waren eingeladen worden, zu fließen, während ein Redegegenstand kreiste. Wir sprachen wohl von all dem, was der Welt angetan wird, von Naturzerstörung und der Sorge um die kommenden Generationen. Ehrlich gesagt erinnere ich mich nicht mehr an die Worte, nur an die Gefühle, die mich mit den Menschen im Kreis verbanden und an das Gefühl am Ende: Wie emotional geduscht. Gereinigt von den Tränen, gewärmt vom Feuer und dem Kreis wohlwollender Menschen, der Raum sicher gehalten. Es war eine warme Dusche.
Kurze Zeit später treffen wir uns mit der Sextalk Lerngemeinschaft; in echt, an einem Ort, so richtig 3D. Auch hier sitzen wir im Kreis und sprechen, aber nicht nur, wir probieren auch, uns ehrlich zu begegnen, probieren miteinader in Kontakt zu kommen, vorzuschlagen, was wir miteinander machen könnten und ehrlich „ja“, „nein“ und „warte“ zu sagen. Einige geraten an ihre Grenzen oder trauen sich nicht, sich zu zeigen. Auch hier fließen Tränen. Auch hier weiß ich aus Erfahrung: Es wird gut werden. Am nächsten Tag ist die ganze Gruppe gelöst, die Gesichter frei, das Lachen kommt direkt aus dem Bauch, die Gespräche sind vebindend und die Körper entspannt. Es ist eben wie duschen. Für einige war es eine kalte Dusche.
„Vergesst nicht, zu duschen!“ rufe ich den letzten Abreisenden hinterher und freue mich aufs nächste Mal.
Ja! Das trifft es! Genauso ist es, wenn wir erlauben in unsere Gefühlswelten einzusteigen: es ist wie duschen! Wunderbar formuliert! Danke
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